Die Seefahrer der Inselreiche gelten als sehr abergläubisches Volk. Zur See zu fahren ist eine der gefährlichsten Professionen der Welt. Wen wundert es da, dass die Matrosen, Fischer, Entdecker und Korsaren der Inselreiche keine Gefahr als zu unwahrscheinlich verspotten und keine potentiell schützende Maßnahme ablehnen. Die eine oder andere mag sogar mehr als nur Abgerglaube sein....
Verbote an Bord
An Bord eines insulanischen Schiffes gelten neben den maritimen Gesetzes eine lange Liste an oft unausgesprochenen Regeln und Verboten. Manche dienen dazu Unglück, bestimmte Meeresungeheuer oder Stürme abzuhalten. Bei anderen ist der Sinn vor langer Zeit verloren gegangen. Doch allen ist gemein: wer gegen sie verstößt, zieht sich den Zorn der Crew zu. Verboten ist zum Beispiel...
Rauchwerk an Kerzen zu entzünden,
in kleineren Gesellschaften als wenigstens zu Dritt das Glücksspiel auszuüben,
ein ungetauftes Schiff zu betreten,
getaufte Schiffe umzubenennen,
die eigene Gallionsfigur zu schänden oder nicht nach allen Möglichkeiten vor äußeren Einflüssen zu schützen,
an Bord zu pfeifen (um keinen Sturm heranzulocken),
aus dem Hafen auszulaufen, ohne eine Münze ins Wasser zu werfen und sich damit den Segen der Meeresgötter zu erkaufen,
Unheil bringendes Getier wie Enten und Hasen an Bord zu bringen,
an einem Freitag auszulaufen.
Es ist außerdem sehr bedenklich, sich an Bord die Nägel oder Haare zu schneiden. Wenn man das tut, dann ist gut, darauf zu achten, dass das Abgeschnittene zerkleinert wird. Denn sonst bauen sich die Klabauter ein Schiff daraus. Am Tag des Weltuntergangs wird Legenden zufolge das Schiff „Naglafara“ daherschwimmen, das aus den Nägeln toter Männer gebaut ist.
Viele Crews haben außerdem eine Ansammlung von ganz eigenen Regeln was das übernatürliche Abwehren von Unheil angeht.
Glücksbringer, Heilmittel und Talismane
Die Seefahrer werden von Festländern oft ob der vielen Talismane die sich mit sich führen oder ihrer seltsamen Heilmittel verlacht. Wer aber bereits zur See gefahren ist kann nicht verleugnen, dass jene die diesen Traditionen folgen bei weitem länger zu leben scheinen als andere.
Ambra: Erzeugnis aus der Galle der Walfische. Man findet es in unregelmäßigen Stücken, grau bis braunschwarz. Ein angenehmer Geruch entströmt ihnen und meist findet man Ambra schwimmend auf dem Meer. Es wird zur Beimischung von Liebestränken verwendet.
Blut des Tümmlers: Mit ein wenig Harz gemischt, alles getrocknet und gepulvert und ein wenig davon unter der Achselhöhle getragen, bringt es dem Träger große Urteilsklarheit.
Besen: Der Besen ist das Symbol des Windes. Die Frau eines Seemannes darf, solange ihr Mann draußen ist, keinen Besen mit der Bürste nach oben hinter die Tür stellen – Das bringt Unglück. Wenn ein Schiff lange Gegenwind gehabt hat und dann kommt ein Schiff entgegen, welches vor dem Wind herankommt, muss man diesem einen Besen vor den Bug werfen, um den guten Wind zu bekommen.
Forelle: Kindern, die Würmer haben, wird eine Forelle auf den Bauch gelegt. Das soll Abhilfe schaffen. Glocke: Glockenläuten im Sturm verjagt die Sturmgeister. Daraufhin wird das Wetter ruhiger. Die Glocke eines sinkenden Schiffes fängt von selbst zu läuten an und macht sich zur Totenglocke derer, die mit dem Schiff untergehen.
Hering: Wird als Pflaster gegen den Biss eines tollen Hundes verwendet. Horn eines Narwals: Ein sicheres Gegenmittel gegen alle Gifte. Die Gegenwart davon genügt, um feinste Spuren davon zu entdecken. Es werden Stücke davon in Becher gelegt und sogar ganze Gefäße aus dem Horn gedrechselt.
Hufeisen: Es steht in engem Zusammenhang mit Pferdeopfern aus früheren Kulten. Hufeisen werden an den Fockmast genagelt, zum Schutz gegen Blitzschlag und unheimliche Gewalten.
Kohle: Glühende Kohle über Bord werfen bringt Sturm. Korallen: Schützen vor Blitz und Hagel und gegen Behexung. Um den Hals getragen, bleicht die Koralle ab, wenn der Träger krank ist. Manche Seefahrer tragen ein Korallenamulett gegen den bösen Blick. Knoblauch: Laut mehrfach geprüfter Quellen, zerstört die Knolle die anziehenden Kräfte eines Magneten.
Salz: Salz ist ein Glücksbringer. Man sollte immer etwas davon in der Tasche mithaben. Manche salzen ihre Netze ein, manche werfen Salz für die blinden Seeweiber ins Wasser.
Schuh nachwerfen: Es bringt Glück, jemandem, der an Bord geht, einen Schuh nachzuwerfen.
Schutz vor Ertrinken: Ein Ring aus Sargnägeln, am Mittelfinger der rechten Hand getragen, ist ein sicherer Schutz vor dem Wassertod. Man kann stattdessen auch einen Ring aus Zähnen eines Seepferdchens verwenden. Die Kniescheibe eines Schafes oder Menschen um den Hals getragen oder am Gürtel befestigt, ist ein altes Hausmittel, das oft bei Kindern angewandt ist, aber sich auch durchaus unter aufgeklärten Seefahrern an Beliebtheit erfreut. Die dünne Haut, die den Kopf einiger neugeborener Kinder einhüllt, ist sauber abgezogen und getrocknet ebenso ein sicheres Mittel vor dem Ertrinken. Manchmal werden solche Häute über Generationen weitergegeben und gewinnen über die Jahre auch an Wert. Ein einfacheres Mittel ist auch, sich eine Aalhaut ums Bein zu binden.
Zähne eines Hais: In Gold eingefasst, gelten sie als Schutzmittel. Zerstoßen und mit Hirn gemischt, als heilsame Medizin gegen Seepocken.
Seemannsbegräbnis
Nicht wenige die zur See fahren sterben auch jenseits der Küsten. Es ist alter Brauch auf den Inselreichen, dass wer auf dem Meer stirbt auch dem Meer übergeben wird - der See einen Körper vorzuenthalten würde allergrößtes Unglück auf alle Hinterbliebenen laden. Bei einem traditionellen insulanischen Seefahrerbegräbnis wird der Tote zunächst in seine Hängematte eingenäht. Dann folgt eine Trauerfeier auf dem Deck, welchem der Matrose zugeteilt war. Zuletzt wird der Tote auf der windabgewandten Seite der See übergeben. Oft wird danach das Gedicht Mit der See vereint rezitiert.
An Bord ist alles stille, stumm tut jeder seine Pflicht denn es deckt die Flagge Hülle, eines Toten Angesicht Von dem Quarterdeck erschallet, brasst die Achterrahen back von der Gaffel niederwallet, halbenstocks die Trauerflagg´
Und ein Sarg nach Seemansweise, schlicht aus Segeltuch gemacht wird nun zu der letzten Reise, nach der Reeling hingebracht Leise und in stillen Worten, betet jetzt der Kapitän und man sieht an allen Orten, Tränen in den Augen stehen Ruhe sanft auf kühlem Grunde, von den Wellen eingewiegt deiner Mutter bring ich Kunde, wo ihr Kind begraben liegt Keine Blume ziert die Stelle, und kein Hügel schmückt den Ort doch des Meeres ewige Welle, ziehen brausend drüber fort.